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Hundeschule Rostock


"Pflicht"wissen


Die Kastration


Animation An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Sie hier nur meine persönliche Meinung
zum Thema finden!



Viele Hundehalter möchten keine Nachkommen von ihrer Hündin und entscheiden sich deshalb für eine Kastration. Auch hygienische Aspekte spielen für diese Entscheidung eine große Rolle. Die Annahme, daß das Krebsrisiko bei Hündinnen durch eine Kastration sinkt, geistert durch viele Foren und durch noch mehr Köpfe. Die Kastration schränkt eventuell das Krebsrisiko für Mammatumore (Knoten in der Milchleiste) ein. Nicht aber für andere Krebserkrankungen. Leider glauben auch viele Hundebesitzer, daß dieses vermeintliche "Allheilmittel" selbständig das unerwünschte Verhalten des Hundes reguliert. Die wenigsten wissen, daß dies nur in seltenen Fällen zum Erfolg führt und kaum jemand ist über die Nebenwirkungen eines solchen Eingriffs informiert.

In Deutschland wird die Kastration in den meisten Fällen bei der Hündin nach der 1. Hitze durchgeführt. Bei Rüden häufig erst, wenn aggressive Verhaltensweisen bestehen oder sogar anhalten; vorwiegend in der 2. Pubertätsphase (12. bis 14. Lebensmonat).

Werfen wir erst einmal einen Blick nach Amerika.
Die Mehrheit aller Hunde wird dort bereits im Welpenalter kastriert. Sie wachsen miteinander auf und kennen das entsprechende Verhalten. Es trifft also "Gleich und Gleich" aufeinander. Hunde, die vor der Pubertät kastriert werden, bleiben zeitlebens juvenil (kindlich), was die Besitzer meistens sehr amüsant finden. In Deutschland allerdings, sind kastrierte Hunde absolut in der Minderheit, was verschiedene Probleme mit sich bringt. Andere Hunde haben Schwierigkeiten, das juvenile Auftreten der erwachsenen Hunde richtig zu interpretieren. Viele Verhaltensmuster, die ein erwachsener Hund zeigt, fehlen einfach. Die kastrierten Tiere werden häufig nicht ernst genommen und es stellt sich Unsicherheit ein, die wiederum zur Aggression führen kann.

Die Kastration nach der Geschlechtsreife: Diese Hunde hatten bislang gelernt, daß sie sich Respekt von jüngeren und subdominanten Artgenossen einfordern können. Nach der Kastration riechen viele Tiere (egal, ob Rüde oder Hündin!) wie eine hochläufige Hündin. Bei einem so gut riechenden Hund versucht fast jeder Rüde, aufzureiten. Ein kastrierter Rüde weiß aber trotz der Kastration, daß er ein Rüde ist und duldet dieses Verhalten gar nicht oder nur kurzzeitig. Als Konsequenz ist Aggressivität vorprogrammiert.

Je älter der Hund zum Zeitpunkt der Kastration ist, desto mehr Lernerfahrungen konnte er sammeln. Hat er bereits die Verhaltensmuster des erwachsenen Hundes manifestiert, erfolgt die Kastration ohnehin zu spät, um Aggressionen zu beseitigen. (Auch Hengstbesitzer können ein Lied davon singen.)

Die Kastration der Hündin

Im Folikel werden verschiedene Hormone synthetisiert (Östradiol, Östron, Östriol), die durch die Kastration fehlen. Dadurch wird die Synthese von Eiweiß im Körper gehemmt und auch der Abbau von Mastzellen, weshalb sich bei vielen Hündinnen Gewichtsprobleme einstellen.

Es entstehen Störungen, weil der Kohlehydratstoffwechsel Einfluß auf Leber und Muskeln hat. Außerdem kann der Blutzuckerspiegel variieren. Die weiblichen Hormone stimulieren außerdem die Ablagerung von Calcium, Phosphor und Stickstoff im Knochengewebe. Nach einer Kastration ist Osteoperose (Knochenerweichung) nicht auszuschließen. Durch das Entfernen der Eierstöcke ist der gesamte Stoffwechsel gestört, da die Kooperation der Östrogene mit der Nebennierenrinde und der Hypophyse nicht mehr möglich ist.

Wie bereits erwähnt, ist der Eingriff vor der Geschlechtsreife besonders kritisch, weil sich entwicklungsbedingt auch psychische Erkrankungen einstellen können.

Die Inkontinenz ist aber die bekannteste und häufigste "Nebenwirkung" einer Kastration der Hündin. Sie wird nicht, wie häufig angenommen, durch den "schlechten Operateur" hervorgerufen. Durch die fehlenden Hormone, erschlafft der Blasenschließmuskel. Die Hündin kann ihren Urin nicht mehr halten und viele Hunde verlieren im Schlaf Urin.

Um die Inkontinenz zu therapieren, werden der Hündin die fehlenden Hormone mit dem Präparat "Canephedrin" wieder zugeführt. Die Behandlung muß lebenslang erfolgen, um die Inkontinenz ganz oder zum Teil zu regulieren.

Für Hündinnen besteht weiterhin die Möglichkeit, läufigkeitsunterdrückende Mittel verabreichen zu lassen. Ich persönlich rate dringend davon ab, eine solche Therapie anzustreben. Ausnahmslos alle Hündinnen, die ich kenne und bei denen diese Behandlung durchgeführt wurde, sind im Zeitraum danach an Krebs erkrankt und daran verstorben.

Die chemische Kastration der Hündin ist derzeit noch nicht möglich. Gleichwohl aber für Rüden.

Die Kastration des Rüden

Wer die Kastration des Rüden als Lösung von Verhaltensproblemen in Erwägung zieht, sollte folgendes wissen.

Die Aggressionsbereitschaft nach einer Kastration verringert sich nur selten. In diesen wenigen Fällen bezieht es sich nur auf sexuelles Konkurrenzverhalten gegenüber anderen Rüden. Bei Aggressionen gegen Menschen ist durch diese Methode keine zufriedenstellende Änderung des Verhaltens zu erhoffen.

Der Auslöser für Aggressionen ist (fast) immer der Besitzer. Deshalb ist eine Kastration ohne verhaltenstherapeutische Unterstützung selten von Erfolg gekrönt. Bei Rangordnungsproblemen sind die Fehler, die der Mensch oft von Anfang an im Umgang mit dem Hund gemacht hat, sehr viel entscheidender. Die Ursache von Rangordnungsproblemen ist nicht der Testosteronspiegel.

Auch das Aufreiten beim Menschen, was sich manche Rüden im Laufe der Pubertät angewöhnt haben, wird durch eine Kastration nicht beseitigt. Fast nie verbirgt sich überhaupt ein sexueller Hintergrund in diesem Verhalten, sondern die Lernerfahrung, daß sich der Mensch in einem solchen Moment dem Hund zuwendet. Dabei ist es gleichgültig, ob die Zuwendung positiv oder negativ ist (also mit Lob oder Strafe), sondern die Zuwendung ansich hat belohnenden Charakter aus Sicht des Hundes.

Wie anfangs erwähnt, besteht beim Rüden die Möglichkeit einer chemischen Kastration, die allerdings nur einen eingeschränkten Zeitraum anhält. Sie hätten während dieser Zeit die Möglichkeit, festzustellen, ob sich das Verhalten Ihres Hundes tatsächlich verändert. Leider ist die chemische Kastration nicht immer erfolgreich, aber ich persönlich würde von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, bevor ich den endgültigen Schritt wage. Bitte lassen Sie sich von Ihrem Tierarzt umfassend beraten!

Schlußbemerkung

Die Kastration des Hundes kann problemlos verlaufen, ohne daß sich die beschriebenen Nebenwirkungen einstellen. Aber wer kann voraussagen, welcher Hund davon betroffen sein wird und welcher nicht? Deshalb sollten Sie vor diesem Schritt genau überdenken, ob eine Kastration wirklich erforderlich ist und daß Sie und Ihr Hund dann eventuell über seinen gesamten Lebenszeitraum mit den Nebenwirkungen leben müssten! Um Verhaltensprobleme lösen zu können, ist der Gedanke an eine Kastration nicht der beste Weg. Suchen Sie lieber Hilfe bei verhaltenstherapeutisch arbeitenden Hundeschulen oder Tierärzten.

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